Interview

 

Demmelmair Bus Reisen Friedberg
Gerhard Bestele, Demmelmair Bus Reisen

 

 

Friedberg. Gerhard Bestele, Eigentümer der Demmelmair Bus Reisen GmbH im Gespräch mit Buchautor Christian Seebauer (chs).

 

chs Guten Morgen, Herr Bestele. Um 7:00 schon im Büro?
G. Bestele Klar. Mein Tag beginnt hier um 3:30 Uhr. Aber keine Angst, so früh gebe ich noch kein Interview (lacht).
chs … sondern?
G. Bestele Wenn es etwas ist, wofür ich in der Früh jeden Tag gerne aufstehe, dann sind es unsere Fahrgäste. Die müssen ja auch jeden Tag früh raus und pünktlich in der Arbeit sein.
chs Wer fährt eigentlich alles mit dem Bus? Gibt es den typischen Fahrgast?
G. Bestele Jeder, der pünktlich in die Arbeit kommen will zum Beispiel. Und die Kinder, weil sie sicher in die Schule und ebenso sicher wieder nach Hause kommen wollen. Und einfach alle, die bequem ohne Auto von A nach B kommen möchten. Natürlich auch die, die mit uns reisen möchten und die, die eine Stadtrundfahrt machen möchten. Und… (wird sehr nachdenklich) auch manchmal die, die sich einfach bei uns im Bus aufwärmen möchten. Das ist dann etwas, was mich nach all den Jahren immer noch sehr bewegt.
chs Emotionen? Gibt es so etwas überhaupt noch im Geschäft?
G. Bestele Anders geht es doch gar nicht. Natürlich ist da immer Herzblut dabei. Und man erlebt auch jede Menge schöne Dinge. Besonders wichtig ist mir dabei auch ein sehr gutes Verhältnis zu unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wir alle sind jeden Tag aufs Neue für die Sicherheit unserer Fahrgäste verantwortlich. Alles geht doch viel besser und auch viel sicherer, wenn man „einen guten Tag“ hat! Dann ist man voll bei der Sache, voll konzentriert. Umgekehrt: Ich selbst möchte wirklich mit keinem Busfahrer unterwegs sein müssen, der sich gerade über seinen Chef geärgert hat. Ein gutes Betriebsklima und gute Umgangsformen haben für mich absolut Vorrang. Damit meine ich mich auch selbst.
chs Manche sagen Herr Demmelmair zu Ihnen…
G. Bestele (sehr nachdenklich), ja, das ist eine schreckliche Geschichte. Das Busunternehmen Demmelmair gibt es seit 1938. Leider ist es nicht jedem vergönnt, alt zu werden. Josef Demmelmair verunglückte 1972 bei einem Flugzeugabsturz tödlich.
chs Danach haben Sie das Unternehmen geführt…
G. Bestele Nicht gleich, aber vor etwa 20 Jahren habe ich das Unternehmen mit 12 Bussen und 8 Beschäftigten übernommen und im Laufe der Jahre abgelöst. So etwas macht man ja nicht von jetzt auf gleich. Man spürt immer die Verantwortung gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch gegenüber den Gründern, deren Lebenswerk ich hier weiterführe.
chs Jetzt sind es aber mehr als 12 Busse …
G. Bestele Heute geht es natürlich immer mehr um die Wirtschaftlichkeit. Aktuell haben wir 65 Busse im Fuhrpark. Etwa 85 Fahrerinnen und Fahrer sind täglich unterwegs. Hinzu kommen acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Büro, etwa fünf in der hauseigenen Servicehalle, sowie eigenes Reinigungspersonal. Wenn alle an einem Strang ziehen, dann klappt es ganz gut!
chs Da ist sicher immer etwas los. Kann man da noch ruhig schlafen?
G. Bestele Wenn das Telefon mitten in der Nacht klingelt, denkt man natürlich immer gleich: Hoffentlich ist nichts Schlimmes passiert. Wenn dann „nur“ irgendwo ein Fahrzeug ausgefallen ist, ist man immer auch erleichtert und findet schnell eine Lösung. Natürlich ist es für den betroffenen Fahrgast dann ärgerlich. Aber es geht immer um das große Ganze, um die Sicherheit. Wir fahren pro Jahr um die 7 Millionen Kilometer. Und das machen wir mit großer Sorgfalt und Disziplin. Gott sei Dank ist noch nie etwas wirklich Schlimmes passiert.
chs Wo liegen die Schwerpunkte bei Demmelmair Bus Reisen?
G. Bestele Ganz klar im Öffentlichen Nahverkehr. Also jeder und jede, die einfach einsteigen wollen. Dieser Fahrdienst macht so um die 80% aus. Reiner Schulverkehr hat einen Anteil von etwa 10%. Ebenso wie der reine Reiseverkehr.
chs Ich bin hartnäckiger Autofahrer. Wo liegen die Vorteile beim Busfahren?
G. Bestele Autofahren ist zu einem extremen Stressfaktor geworden. Ein paar Meter laufen und dann völlig entspannt den Bus nehmen ist mittlerweile für viele sogar ganz bewusst ein Stück Lebensqualität geworden.
chs Im Auto ist es ja auch ganz bequem…
G. Bestele Doch im Bus finden Sie vielleicht die Liebe Ihres Lebens. Oder man kommt genau an die Chancen und Menschen, an die man in der Arbeit sonst nie rankommt. Eine neue Stelle oder die Karriereleiter nach oben? Hat es alles schon im Bus gegeben. Jung und alt zusammen? Gibt es auch oft nur noch im Bus. Und schlafen, kann man im Auto auch nicht. Unsere Kinder besprechen oft schon die Hausaufgaben oder noch schnell eine Schulaufgabe. Es wird gelacht und geredet. Im Bus findet das wahre Leben statt! Im Auto verliert man Zeit und Energie.
chs Begeisterung? Oder Besessenheit?
G. Bestele (zuckt die Achseln) Beides vielleicht. Hauptsache es macht Spass. Und das tut es.
chs Was sagen Sie einem jungen Menschen, der sich für den Beruf Busfahrer interessiert?
G. Bestele Dass es kein leichter Beruf ist. Man ist oft dann unterwegs, wenn sich die Familie wünscht, dass man zu Hause sein soll. Und: Dass es auch ein schöner Beruf ist. Es ist kein Beruf zum Reich werden. Aber einer, der Sinn macht. Und einer, der eine soziale Aufgabe erfüllt! Das gilt nicht für jeden Beruf. Als Busfahrerin oder Busfahrer ist man Teil dieser Gesellschaft und dient der Gemeinschaft. Und – auch wenn es dir nicht jeder zeigt – wird man geschätzt. Wenn der junge Mensch also noch will, freue ich mich auf ihn oder sie!
chs Sie tragen keine Armbanduhr… Was bedeuten Ihnen Zeit und Geld?
G. Bestele Zeit bedeutet mir viel. Sie ist wertvoll geworden. Geld? Es steckt in der Firma. Der eigentliche Wert sind aber die Mitarbeiter. Und auch, dass sie es wissen! Wenn ich mich über etwas freue – auch privat – dann sind das immer irgendwelche Dinge, die mit Geld rein gar nichts zu tun haben. Eine ältere Dame etwa, die letzte Woche ihren Hausschlüssel im Bus verloren hatte und ihn wiederbekommen hat, hat uns allen als Dankeschön einen kleinen Kuchen gebacken. Niemand muss so etwas tun. Aber das war einfach ganz großes Kino und ich sage gerne auch jetzt noch einmal ganz herzlichen Dank!
chs Niemand lebt nur in der Arbeit. Was wäre eine private Versuchung für Sie, Herr Bestele?
G. Bestele Jetzt in Südtirol vor einer gemütlichen Alm in der Sonne zu sitzen und einen Augenblick der Stille zu erleben. Am besten mit einer guten Brotzeit.
chs Ich bin schon länger nicht mehr Bus gefahren…
G. Bestele … dann wird es höchste Zeit!